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Bürgergeld & Weltschmerz: Nachrichten [IGEL München]

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to top Ehrenpreis im Dressur Reiten: "Goldener Geldhahn" für Emilia Müller
26. March 2017

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Den seit 1789 verliehenen Ehrenpreis "Goldener Geldhahn" der Dressurreiterinnen erhält in diesem Jahr die bayerische Sozialministerin Emilia Müller für ihren vehementen Einsatz und überragenden Erfolg in der Disziplin "Gehorsamssprung".

Am 6. März 2017 ließ Sozialministerin Müller durch ihren Ministerialdirigenten Eugen Turi ein Rundschreiben an die bayerischen Wohlfahrtsverbände versenden, die der finanziellen Förderung durch das Sozialministerium unterliegen.

"Aus gegebenen Anlass" müsse auf die genau ein Jahr zuvor durch das Ministerium erlassene "Richtlinie für die Förderung der sozialen Beratung und Betreuung von Ausländerinnen und Ausländern" hingewiesen werden. Zweck der bayerischen Asylsozialberatung sei es demnach, asylsuchende Flüchtlinge "über eine bereits bestehende oder in absehbarer Zeit möglicherweise eintretende Ausreisepflicht bzw. über die Anerkennungsquoten im Asylverfahren aufzuklären und auf entsprechende Hilfsangebote im Freistaat Bayern für eine freiwillige Rückkehr oder Weiterwanderung hinzuweisen. [...]

Mit dieser Anstiftung zur «freiwilligen» Ausreise unvereinbar sei es laut des Rundschreibens, wenn asylsuchende Flüchtlinge auf ihre bereits der Rechtsmittelbelehrung entnehmbare Möglichkeit hingewiesen würden, einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Ausreiseanordnung zu beantragen, um so bis zur verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vor einer plötzlichen Abschiebung geschützt zu sein. Das bspw. durch Ehrenamtliche des Bayerischen Flüchtlingsrates praktizierte Übersetzen oder Erläutern einer rechtsstaatlichen Grundsätzen folgenden Rechtsmittelbelehrung wäre also nach der Subsumtion des Ministerialdirigenten ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz.

Tatsächlich stellen diese Übersetzungs- und Vermittlungstätigkeiten nicht mal eine Rechtsdienstleistung dar. Denn diese ist in § 2 RDG legal definiert. Rechtsdienstleistung ist demnach jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Gerade die rechtliche Prüfung des Einzelfalles ist aber bei einer Übersetzungs oder Vermittlungstätigkeit eben nicht gegeben. Hierzu genügt es regelmäßig, den in deutscher oder englischer Sprache verfassten Bescheid des BAMF in einfache Sprache zu transkribieren. Eine rechtliche Prüfung des Bescheides oder seiner Rechtsmittelbelehrung erfolgt dabei gerade nicht.

Doch das dünne Eis, auf dem sich die Rechtsauffassung des Sozialministeriums bewegt, genügt noch nicht zum Aufbau des ministeriellen Drohszenarios: "Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass im Wiederholungsfall bei einer dem Förderzweck nicht entsprechenden Mittelverwendung ein Widerruf der entsprechenden Verwaltungsakte in Betracht kommt." lautet der nachhallende Satz am Ende des Rundschreibens.

Da die Richtlinie in Ziff. 7 eine Bagatellgrenze von 25.000 EUR vorsieht und ein Großteil der Zuwendungen in die Personalausgaben für die Asylsozialberatungskräfte und Kräfte für Kinderbetreuung in den Aufnahmeeinrichtungen fließt, geht es für die Mitarbeiter_innen der Wohlfahrtsverbände um deren Existenz. Zugleich gefährdert das bayerische Ministerium für Familie und Soziales mit dem angedrohten Mittelentzug auch die Familien der Mitarbeitenden wie der betreuten Flüchtlingskinder. Dazu passend hat heute die CSU die Familie in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes gestellt.

Die juristische Auffassung des Ministerialdirigenten entbehrt im Hinblick auf das Rechtsdienstleistungsgesetz aber nicht jeglichen unfreiwilligen Humors. Spaß verbreitet insbesondere Ziffer 1.1 der nicht mal Außenwirkung entfaltenden Richtlinie, wonach das höherrangige Rechtsdienstleistungsgesetz einzuhalten sei. Abgesehen davon, dass der Bundesgesetzgeber sicherlich keiner bayerischen ministeriellen Richtlinie zur Einhaltung seiner Gesetze auch im Wirkungskreis der Förderrichtlinie bedarf, sind schon in den 90ger Jahren die Versuche des Freistaates Bayern gescheitert, die Asylsozialberatung über das damals seit 1935 noch geltende und strenger gefasste Rechtsberatungsgesetz zu kriminalisieren. "Rein fürsorglich" sei deshalb auf fünf frühe, aber im Kern heute erst recht geltende Aufsätze von Rechtsanwalt Hubert Heinhold verwiesen [Quellen unten].

Im Verlauf des letzten Monats hagelte es von allen Seiten Kritik an dem sozialministeriellen Rundschreiben. Bereits zwei Tage nach dessen Versand titelte die Süddeutsche Zeitung: "Empörung über Sozialministerium - Wohlfahrtsverbände warnen vor Eingriff in Flüchtlingsberatung". Das international erscheinende MiGAZIN "Migration in Germany" folgte am 10. März 2017 nach: "Sozialministerium droht mit Geldhahn", hiess es dort. Als dann auch noch am 17. März das bundsweit auflagenstärkste Magazin FOCUS von dem "Drohbrief" und einem "Regelverstoß" sprach, bekam Müllers Pressestelle langsam ein Problem, weil nicht mehr die gerade zuvor veröffentlichten und liebevoll vorbereiteten "Informationen zur Asylpolitik" des Sozialministeriums im öffentlichen Rampenlicht standen, sondern Müllers entgleister Kratzer an der Etikette.

Hubert Heinhold:
Die Rechtsberatungspraxis in der sozialen Arbeit, Tagungsbeitrag September 2004
Rechtsberatung und Sozialarbeit - ein Scheinkonflikt? - InfoAlso, 2001, S.197, 2002 S. 12
Missbrauch des Rechtsberatungsgesetzes, VA, 2001, S. 145
Rechtsbesorgung oder Übersetzungstätigkeit - Soziale Arbeit (August), 2001, S. 295
Asylrechtskundige Beratung durch Sozialarbeiter und Ehrenamtliche -
ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz - ZAR, 1997, S. 110

Arbeitskreis kritische Sozialarbeit (aks): Positionspapier, April 2017