,meins, deins, das sind doch bürgerliche kategorien.´ josef ackermann

Bürgergeld & Weltschmerz: Nachrichten [IGEL München]

Nachrichten rund um Bürgergeld, Sozialhilfe & all den Weltschmerz - Texte, Audio, Video, Podcast mp3, mp4
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to top  Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung
05. November 2017


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Von der "Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt" über die "Beseitigung von Vermittlungshemmnissen" zur "Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung". Die gesetzlich festgelegten Ziele sogenannter Aktivierungs- und Eingliederungsmaßnahmen der Jobcenter und Arbeitsämter treffen jeden Arbeitslosen.

Einer schriftlichen Einladung durch die Arbeitsvermittlung zur Besprechung der "beruflichen Situation" folgt die Vorlage einer meist unterschriftsreifen Eingliederungsvereinbarung. Wer sofort und blind unterzeichnet, findet sich schnell in oft nur wenig sinnvollen Bewerbungskursen wieder, die Zeit und Energie rauben, anstatt sich individuell und ernsthaft um Arbeit bemühen zu können.

Wie ein Gespräch in der Arbeitsvermittlung ablaufen kann, zeigte schon in den neunziger Jahren der Kabarettist Dieter Hallervordern (Die Wühlmäuse) in seinem Sketch "Arbeitsamt - German Employment Center". Geradezu visionär gab Hallervordern schon damals einen Ausblick darauf, wie im neoliberalen Neusprech der Bürger zum Kunden wurde, der im Jobcenter gerne mal über den Tisch gezogen wird.

to top Radio Lora: Soziale Gerechtigkeit
06. September 2017

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München, (IGEL) - Radio Lora - Gegensprechanlage
von Konny Hoff, David Herzog und Maximilian

Der Geist des Grundgesetzes ist die offizielle Grundlage unseres Staates. Der Bayerische Landtag hat ein Integrationsgesetz beschlossen, nach dem Bewohner dieses Landes, die dies nicht wahrhaben wollen, auch zwangsweise zum staatsbürgerlichen Unterricht geleitet werden.

Wie ist das eigentlich mit den Fabrikanten von Hartz IV, Rentenkürzungen und zusammengestrichenen Asylrecht? Vielleicht sollte man denen einige Plätze beim Staatsbürgerunterricht reservieren?

Die Grafik ist der Titel der Broschüre 'So funktioniert die deutsche Rechtsordnung', herausgegeben vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz, den die 700 "ehrenamtlichen" Richter und Staatsanwälte bei den Integrationskursen verteilen müssen...

to top  Existenzbedrohung statt Hartz IV
15. August 2017


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H. Engel und C. Schönfeld, FAKT, MDR, Doku, 2016

„Existenzbedrohung durch Hartz IV“ trifft es möglicherweise noch etwas genauer, wenn man das Verwaltungshandeln des hier dargestellten Jobcenters Salzlandkreis beurteilt. Das ARD Team zeigt dies exemplarisch anhand der betroffen machenden Leidensgeschichte des 62-jährigen Erwerbslosen Helmut Engel.

Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“, sagte Franz Müntefering einst kurz nach der Einführung von Hartz IV. Helmut Engel hat gearbeitet. Jetzt, nach 45 Jahren Beitragszahlung und mit angegriffener Gesundheit ist er auf die Hilfe des Staates angewiesen, weil ihm noch einige Monate bis zur Rente fehlen. Doch das Jobcenter Salzlandkreis ist da anderer Meinung. Wegen einer sogenannten „Vermögensvermutung“ verweigert es die Auszahlung des dringend benötigten Arbeitslosengeldes 2.

„Vermögensvermutung“ beim Antragsteller? Diese Dokumentation bestätigt vielmehr die Vermutung über die rechtsmissbräuchliche Willkür des Jobcenters Salzlandkreis und schafft darüber hinaus bittere und zweifelsfreie Gewissheit: so sozialrechtlich notwendig die allgemeine Mitwirkungspflicht sein mag, wird sie bundesweit von einzelnen Sachbearbeiter_innen in den Sozialbehörden überdehnt und führt bei zahlreichen Hilfebedürftigen ins soziale Abseits, manchmal sogar in die Obdachlosigkeit..

to top Notizbuch: Energiearmut
29. March 2017

https://igel-muc.de/audio/20170329-102548-Bayern_2_Sued-Notizbuch-Energiearmut.png

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"Energiearmut"
Wann darf der Versorger den Strom abschalten?
Bayerischer Rundfunk, Notizbuch, von Hanna Maier,
Dipl. Psych. Frank Luschei und Annika Arnold

Wer arm ist, gibt prozentual fast doppelt so viel seines Einkommens für Energie aus, wie reiche Menschen. Das trifft Rentner und Geringverdiener, aber am prekärsten betroffen sind Haushalte, die in der Grundsicherung der Sozialleistungssysteme sind. "Wir wissen aus relativ plausiblen Berechnungen, dass alleine in dieser Grundsicherung schon viel zu geringe Energiekosten berücksichtigt sind.", so der Sozialforscher Frank Luschei von der Univerität Siegen.

In der Praxis trifft das genau so auf Annika Arnold zu. Sie hat einen Hochschulabschluss in Naturwissenschaften und ist während der Doktorarbeit schwanger geworden. Danach hat sie als Alleinerziehende keine neue Arbeit mehr gefunden. Seitdem leben sie und André von Unterhalt und Arbeitslosengeld 2, also Hartz IV. "Letztendlich zum Leben zur Verfügung haben wir zwei, mein Sohn und ich, um die 400;- Euro im Monat."

In Deutschland haben 2016 die Energieversorger 7,7 Millionen Haushalten eine Stromsperre angedroht. Doch politisch wird das Thema kaum diskutiert. Eine kleine Anfrage der Linkspartei hat ergeben, dass die Bundesregierung noch nicht einmal bereit ist, den Begriff der Energiearmut zu definieren und damit anzuerkennen. Es gibt auch nur eine lückenhafte Datenerhebung. Weder Dauer der Sperrungen noch absolute Zahl der betroffenen Menschen werden bisher statistisch erfasst. Dabei hat die EU-Kommission bereits 2009 die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert, Strategien gegen Emergiearmut zu entwickeln.

to top Ehrenpreis im Dressur Reiten: "Goldener Geldhahn" für Emilia Müller
26. March 2017

https://igel-muc.de/images/news/20170326-dressur-foto1.jpg
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Den seit 1789 verliehenen Ehrenpreis "Goldener Geldhahn" der Dressurreiterinnen erhält in diesem Jahr die bayerische Sozialministerin Emilia Müller für ihren vehementen Einsatz und überragenden Erfolg in der Disziplin "Gehorsamssprung".

Am 6. März 2017 ließ Sozialministerin Müller durch ihren Ministerialdirigenten Eugen Turi ein Rundschreiben an die bayerischen Wohlfahrtsverbände versenden, die der finanziellen Förderung durch das Sozialministerium unterliegen.

"Aus gegebenen Anlass" müsse auf die genau ein Jahr zuvor durch das Ministerium erlassene "Richtlinie für die Förderung der sozialen Beratung und Betreuung von Ausländerinnen und Ausländern" hingewiesen werden. Zweck der bayerischen Asylsozialberatung sei es demnach, asylsuchende Flüchtlinge "über eine bereits bestehende oder in absehbarer Zeit möglicherweise eintretende Ausreisepflicht bzw. über die Anerkennungsquoten im Asylverfahren aufzuklären und auf entsprechende Hilfsangebote im Freistaat Bayern für eine freiwillige Rückkehr oder Weiterwanderung hinzuweisen. [...]

Mit dieser Anstiftung zur «freiwilligen» Ausreise unvereinbar sei es laut des Rundschreibens, wenn asylsuchende Flüchtlinge auf ihre bereits der Rechtsmittelbelehrung entnehmbare Möglichkeit hingewiesen würden, einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Ausreiseanordnung zu beantragen, um so bis zur verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vor einer plötzlichen Abschiebung geschützt zu sein. Das bspw. durch Ehrenamtliche des Bayerischen Flüchtlingsrates praktizierte Übersetzen oder Erläutern einer rechtsstaatlichen Grundsätzen folgenden Rechtsmittelbelehrung wäre also nach der Subsumtion des Ministerialdirigenten ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz.

Tatsächlich stellen diese Übersetzungs- und Vermittlungstätigkeiten nicht mal eine Rechtsdienstleistung dar. Denn diese ist in § 2 RDG legal definiert. Rechtsdienstleistung ist demnach jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Gerade die rechtliche Prüfung des Einzelfalles ist aber bei einer Übersetzungs oder Vermittlungstätigkeit eben nicht gegeben. Hierzu genügt es regelmäßig, den in deutscher oder englischer Sprache verfassten Bescheid des BAMF in einfache Sprache zu transkribieren. Eine rechtliche Prüfung des Bescheides oder seiner Rechtsmittelbelehrung erfolgt dabei gerade nicht.

Doch das dünne Eis, auf dem sich die Rechtsauffassung des Sozialministeriums bewegt, genügt noch nicht zum Aufbau des ministeriellen Drohszenarios: "Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass im Wiederholungsfall bei einer dem Förderzweck nicht entsprechenden Mittelverwendung ein Widerruf der entsprechenden Verwaltungsakte in Betracht kommt." lautet der nachhallende Satz am Ende des Rundschreibens.

Da die Richtlinie in Ziff. 7 eine Bagatellgrenze von 25.000 EUR vorsieht und ein Großteil der Zuwendungen in die Personalausgaben für die Asylsozialberatungskräfte und Kräfte für Kinderbetreuung in den Aufnahmeeinrichtungen fließt, geht es für die Mitarbeiter_innen der Wohlfahrtsverbände um deren Existenz. Zugleich gefährdert das bayerische Ministerium für Familie und Soziales mit dem angedrohten Mittelentzug auch die Familien der Mitarbeitenden wie der betreuten Flüchtlingskinder. Dazu passend hat heute die CSU die Familie in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes gestellt.

Die juristische Auffassung des Ministerialdirigenten entbehrt im Hinblick auf das Rechtsdienstleistungsgesetz aber nicht jeglichen unfreiwilligen Humors. Spaß verbreitet insbesondere Ziffer 1.1 der nicht mal Außenwirkung entfaltenden Richtlinie, wonach das höherrangige Rechtsdienstleistungsgesetz einzuhalten sei. Abgesehen davon, dass der Bundesgesetzgeber sicherlich keiner bayerischen ministeriellen Richtlinie zur Einhaltung seiner Gesetze auch im Wirkungskreis der Förderrichtlinie bedarf, sind schon in den 90ger Jahren die Versuche des Freistaates Bayern gescheitert, die Asylsozialberatung über das damals seit 1935 noch geltende und strenger gefasste Rechtsberatungsgesetz zu kriminalisieren. "Rein fürsorglich" sei deshalb auf fünf frühe, aber im Kern heute erst recht geltende Aufsätze von Rechtsanwalt Hubert Heinhold verwiesen [Quellen unten].

Im Verlauf des letzten Monats hagelte es von allen Seiten Kritik an dem sozialministeriellen Rundschreiben. Bereits zwei Tage nach dessen Versand titelte die Süddeutsche Zeitung: "Empörung über Sozialministerium - Wohlfahrtsverbände warnen vor Eingriff in Flüchtlingsberatung". Das international erscheinende MiGAZIN "Migration in Germany" folgte am 10. März 2017 nach: "Sozialministerium droht mit Geldhahn", hiess es dort. Als dann auch noch am 17. März das bundsweit auflagenstärkste Magazin FOCUS von dem "Drohbrief" und einem "Regelverstoß" sprach, bekam Müllers Pressestelle langsam ein Problem, weil nicht mehr die gerade zuvor veröffentlichten und liebevoll vorbereiteten "Informationen zur Asylpolitik" des Sozialministeriums im öffentlichen Rampenlicht standen, sondern Müllers entgleister Kratzer an der Etikette.

Hubert Heinhold:
Die Rechtsberatungspraxis in der sozialen Arbeit, Tagungsbeitrag September 2004
Rechtsberatung und Sozialarbeit - ein Scheinkonflikt? - InfoAlso, 2001, S.197, 2002 S. 12
Missbrauch des Rechtsberatungsgesetzes, VA, 2001, S. 145
Rechtsbesorgung oder Übersetzungstätigkeit - Soziale Arbeit (August), 2001, S. 295
Asylrechtskundige Beratung durch Sozialarbeiter und Ehrenamtliche -
ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz - ZAR, 1997, S. 110

Arbeitskreis kritische Sozialarbeit (aks): Positionspapier, April 2017

to top LSG Bayern: mit 5,25 Wochenstunden Arbeit EU-Arbeitnehmerstatus
06. February 2017

https://igel-muc.de/images/news/20170320-putzfrauenpower.png
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In einem Eilbeschluss vom 6. Februar 2017 sieht das Landessozialgericht Bayern nunmehr anknüpfend an die Rechtsprechung des EuGH den Arbeitnehmerstatus einer rumänischen Staatsangehörigen mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 5,25 Std. und einem monatlichen Verdienst von 187;- EUR als gegeben an. Der Senat hat deshalb einstweilige und aufstockende Leistungen des SGB II angeordnet.
[Az.: L 11 AS 887/16 B ER]

Der Beschluss des Landessozialgerichtes ist für Bayern als richtungsweisend zu bezeichnen, weil das Jobcenter München bislang in der Praxis jede geringfügige Beschäftigung pauschal als "völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit" und damit nicht den Arbeitnehmerstatus auslösend angesehen hat. Regelmäßig wurde arbeitenden EU-Bürger_innen so das lediglich die geringfügige Entlohnung aufstockende Arbeitlosengeld vorenthalten.

Auch die Bundesagentur für Arbeit hat ihre "Fachlichen Weisungen zu § 7 SGB II" erst Jahre nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 4. Februar 2010 verbessert. In der 'Causa Genc [Az. C-14/09]' stellte der EuGH hinsichtlich einer Arbeitszeit von 5,5 Std in der Woche bei einem monatlichem Verdienst von 175;- EUR eindeutig klar, dass die vereinbarte Wochenarbeitszeit und das Arbeitsentgelt nur Anhaltspunkte für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft sind:

'[...] doch lässt es sich unabhängig von der begrenzten Höhe des aus einer Berufstätigkeit bezogenen Entgelts und des begrenzten Umfangs der insoweit aufgewendeten Arbeitszeit nicht ausschließen, dass die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses von den nationalen Stellen als tatsächlich und echt angesehen werden kann und es somit ermöglicht, dem Beschäftigten die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 39 EG zuzuerkennen.

Bei der Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses von Frau Genc sind nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub von 28 Tagen, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag sowie der Umstand, dass ihr Arbeitsverhältnis mit demselben Unternehmen beinahe vier Jahre bestanden hat.' [Az. C-14/09, Rz. 26, 27]

Gleichwohl forderte die Bundesagentur noch Jahre nach dem Urteil des EuGH in ihren damaligen "Fachlichen Hinweisen zu § 7" mindestens zehn Stunden Wochenarbeitszeit und zog einzig dieses Kriterium zur Beurteilung der unionsrechtlichen Arbeitnehmereigenschaft heran, um den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB IIrechtmißbräuchlich auf so viele arbeitende EU-Bürger_innen wie möglich auszudehnen.

to top Andrea Nahles enttäuscht solidarisches Europa
01. January 2017

https://igel-muc.de/audio/20170101-Tonprotokoll-Bundestag-Plenarsitzung-18_200-EU-Buerger-Ausschlussgesetz.png

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Für parlamentarische Verhältnisse geradezu unverzüglich hat die Bundesregierung auf drei Senatsurteile des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2015 reagiert, wonach EU-Ausländer_innen auch bei fehlender Freizügigkeitsberechtigung zumindest Sozialhilfeleistungen im Ermessenswege zu erbringen sind.

Im Falle eines verfestigten Aufenthalts - über sechs Monate - sei dieses Ermessen aus Gründen der Systematik des Sozialhilferechts und der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Weise reduziert, dass regelmäßig zumindest Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu erbringen sei, so der 4. Senat des Bundessozialgerichts in seiner Medieninformation Nr. 28/15.

Für Andrea Nahles war diese höchstrichterliche Rechtsprechung Grund genug, um die Gewaltenteilung ad absurdum zu führen. Statt sich bei ihrer Gesetzgebung nunmehr an den richtungsweisenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zu orientieren, liess sie reflexartig unter Federführung ihres Bundesministeriums für Arbeit & Soziales in Windeseile das schon im Titel sperrige 'Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (GrSiAuslG)' formulieren. Pünktlich zu Karnevalsbeginn am 11. November 2016 wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung in der 200. Sitzung des Bundestages erstmalig eingebracht und damit öffentlich.

Vorgestellt wurde der Entwurf von Anette Kramme, parlamentarische Staatsekretärin bei Bundesministerin Nahles. Krammes pathetischer Redeauftakt: "Wir leben in besorgniserregenden Zeiten!" darf angesichts der wesentlichen Aushöhlung der Grundrechte von EU-Bürger_innen durch ihren Gesetzentwurf noch als angemessen betrachtet werden. Gleich im zweiten Satz beschreibt die Staatsekretärin dann den Sinn und Zweck ihres Gesetzentwurfes aus Sicht der Bundesregierung: "Politiker mit nationalistischen Parolen erhalten Zulauf, und Institutionen wie die Europäische Union, die für Völkerverständigung und für internationale Kooperation stehen, sind schwer unter Beschuss geraten."

Weil also bei der kommenden Bundestagswahl mit einem beträchtlichen Stimmanteil für AFD und Konsorten zu rechnen ist, besetzt die Bundesregierung im Wahlkampfjahr deren rechtspopulistische Themen, indem sie künftig EU-Ausländer_innen Leistungen der sozialen Grundsicherung fünf Jahre lang vorenthält. Es bedarf wahrlich der rhetorischen Brillanz einer Staatsekretärin, die Quintessenz dieses Änderungsgesetzes in zwei Sätzen so prägnant auf den Punkt zu bringen.

Leisere und zugleich treffende Worte wählte hingegen zuvor im Bundesrat Professor Dr. Benjamin-Immanuel Hoff, Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten in Thüringen. Er sieht in dem Gesetzentwurf eine fundamentale Aushöhlung des verfassungsrechtlich garantierten Menschenrechts auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Bei der 950. Sitzung des Bundesrates am 4. November 2016 gab Hoff deshalb eine schriftliche Erklärung zu Protokoll, die angesichts des schweren verfassungsrechtlichen Eingriffs durch die Bundesregierung in ihrem gesamten Wortlaut bereit gestellt wird:

- Anlage 7 des Plenarprotokolls der 950. Sitzung des Bundesrates am 4. November 2016 in Berlin, S. 42, 43
- Gesetzgebungsverfahren GrSiAuslG - Dokumentationssystem für Parlamentarische Vorgänge [DIP-ID: 18-77237]