01. Juni 2024 | 09:05 Uhr De Europische Insecten Maria Sibylla Merian: Metamorphose einer Frau DLF Deutschlandfunk Kalenderblatt Carina Schroeder Die Künstlerin Maria Sibylla Merian war fasziniert von Schmetterlingen und Raupen. Doch es reichte ihr nicht, die Insekten zu zeichnen – sie wollte sie auch studieren. Dafür reiste sie vor 325 Jahren ins lateinamerikanische Surinam. https://www.deutschlandfunk.de/01-06-1699-maria-sibylla-merian-beginnt-ihre-forschungsreise-nach-surinam-dlf-6db034bc-100.html Skript: Am 1. Juni 1699, vor 325 Jahren brach die Naturforscherin Maria Sibylla Merian zu ihrer Reise nach Surinam auf. Ein Beitrag von Carina Schroeder. Als Maria Sibylla Merian im südamerikanischen Surinam ankommt, einer damals niederländischen Kolonie, da hat sie viele Kisten dabei, mit Gläsern, Pinseln, Pergamenten und kleinen Schachteln. Die Siedler in Surinam schütteln den Kopf. 'Andere Leute haben das nicht verstanden. Sie haben gesagt: die riskiert hier ihr Leben dafür. Aber für sie war das das wichtigste. Ruth Kornberger https://ruthkornberger.de/ueber-mich/ hat einen Roman über das ungewöhnliche Leben von Maria Sibylla Merian geschrieben. Eine Frau, die im 17. Jahrhundert gegen viele Regeln und Konventionen vertieß, um ihrem Forscherdrang zu folgen. Maria Sibylla Merian kommt 1647 in Frankfurt am Main zur Welt. Ihr Stiefvater, selbst Blumenmaler, erkennt früh ihr künstlerisches Talent. Und er fördert sie, gegen den Willen der Mutter. Die will aus ihrer Tochter lieber eine anständige Ehefrau machen. Mit 18 heiratet Maria Sibylla den Nürnberger Maler Johann Andreas Graff. 'Es ging ihr nicht darum, einfach ein gutes Leben zu haben, ein gemütliches Leben in Nürnberg.' Im Gegenteil: sie will selbst Künstlerin sein. Aber das ist zu dieser Zeit nicht einfach für Frauen. Wegen der sogenannten Malerordnung der freien Reichsstadt Nürnberg dürfen nur Männer mit Ölfarben auf Leinwand malen. Lukrative Aufträge und Renommee bleiben ihr verwehrt, wie vielen anderen Frauen. Aber Maria Sibylla Merian arbeitet zu dieser Zeit ohnehin schon an etwas, das später ihr Vermächtnis werden sollte. Das erste Raupenbuch. Darin malt und beschreibt sie die Entwicklungsstadien von Insekten. Die Metamorphose. Von der Raupe zum Schmetterling. 'Sie ist dann durch die Natur gestreift, hat Raupen gesucht, hat dann Teile der Futterpflanzen mitgenommen und zu Hause so etwas wie ein kleines Forschungslabor gehabt. Sie hat dann diese Tierchen gezeichnet, die Pflanzen auch.' 'Das veranlasste mich, alle Raupenarten zu sammeln, die ich finden konnte. Um ihre Verwandlung zu beobachten. Ich entzog mich deshalb aller menschlicher Gesellschaft und beschäftigte mich mit diesen Untersuchungen.' schrieb sie selbst einmal auf. 'Das war etwas besonderes, weil die Menschen früher kaum etwas über Insekten wussten. Das Wort Schmetterling kommt von "Schmetten", das heißt Sahne. Man dachte, Schmetterlinge seien verwandelte Hexen, die Sahne stehlen wollen.' Maria Sibylla Merian durchläuft in ihrem Leben selbst einige Metamorphosen. Sie verlässt ihren Mann, wird von ihm geschieden. Im 17. Jahrhundert ist das ungewöhnlich. Mit ihren beiden Töchtern zieht sie in die Niederlande. Ruth Kornberger (https://ruthkornberger.de/maria-sibylla-merian-ihr-leben-in-bildern/): 'In Amsterdam hatte Maria Sibylla Merian Zugang zu Fachliteratur und las viele Bücher, darunter vermutlich': Edward Topsell: “The history of four-footed beasts and serpents”, 1658, auf dessen siebter Seite der Affe Calitrich (Abb. oben) zu finden ist: https://archive.org/details/historyoffourfoo00tops/page/6/mode/2up Zuerst hatte sie sich überlegt, sie reise ein bisschen in Europa herum, schreibt ein Buch über europäische Insekten. Aber dann wurden ihre Träume immer größer. Dann hört sie das erste mal von den besonderen Schmetterlingen in Surinam. Von da an ist das Reiseziel klar. 'Sie hat zunächst natürlich versucht, Förderer zu finden, also Leute, die ihre Reise sponsern. Maria hat gesagt: "Ich bringe Euch dann Schmetterlinge mit, oder Käfer, die Ihr ausstellen könnt." Aber die Leute haben sichdarauf nicht eingelassen.' Sie verkauft ihren Hausstand und macht noch schnell ein Testament. Am 1. Juni 1699 geht sie gemeinsam mit ihrer jüngeren Tochter an Bord eines Handelsschiffes und segelt ins Unbekannte. Allen Warnungen zum trotz. Viele Schiffe schaffen die mehrmonatige Reise damals nicht oder werden unterwegs von Piraten überfallen. 'Außerdem gab es natürlich Konflikte mit den Indigenen, denn in Surinam haben ja eigentlich die Araber gelebt. Die fanden das nicht so toll, dass die Weißen jetzt die Küste brandroden und da Zuckerrohrplantagen aufziehen.' In Surinam angekommen, geht die Frau mit ihren mitgebrachten Gläsern und Schachteln in den Urwald und sammelt Insekten ein. Maria Sibylla Merian beobachtet und malt die gefangenen Tiere mit Pinsel auf Pergament. Aus ihren Entdeckungen entsteht ihr berühmtes Buch 'Metamorphosis insectorum Surinamensium' auf niederländisch, deutsch: 'Verwandlung der surinamischen Insekten'. Zwei Jahre dauert ihre Forschungsreise. Dann kehrt sie zurück nach Amsterdam (adam.igel) . 'In Amsterdam durfte sie im Rathaus ausstellen. 1705 erschien ihr größtes Werk. “Metamorphosis insectorum Surinamensium”. 45 Gulden kostete die kolorierte Ausgabe, das entspricht 2000€. Dafür gab es Beschreibungen und Bilder der surinamischen Fauna und Flora: https://ruthkornberger.de/maria-sibylla-merian-ihr-leben-in-bildern/ Obwohl Maria nun einen Namen hatte, konnte sie vom Verkauf ihrer Bücher nicht leben, sondern gab weiterhin Malunterricht und verkaufte Präparate aus ihrer Sammlung. 1717 starb sie in Amsterdam. Maria Sibylla Merian ist schon zu ihren Lebzeiten hoch angesehen. Doch ihre Bedeutung als Natur- und Insektenforscherin wird erst nach ihrem Tod anerkannt. 'Ich denke, heute, wo man weiß, wie wichtig Insekten für das Ökosystem sind, ist sie eine Art Pionierin, eine der ersten, die erkannt hat, dass das keine unbedeutenden Tiere sind.' Nach Maria Sibylla Merians Tod beendete ihre Tochter Dorothea 1730 in Amsterdam ihr letztes Werk: 'De Europische Insecten' https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN475975456?tify=%7B%22pages%22%3A%5B3%5D%2C%22pan%22%3A%7B%22x%22%3A0.722%2C%22y%22%3A0.626%7D%2C%22view%22%3A%22toc%22%2C%22zoom%22%3A0.438%7D