Ursula von der Leyen lächeln und die Fäuste gehoben, nachdem sie zur EU-Kommissionspräsidentin wiedergewählt worden ist.
Für ihre zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin erhielt Ursula von der Leyen 401 Stimmen. Nötig wären 361 Stimmen gewesen. (Picture Alliance / Associated Press / Jean-Francois Badias)
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE begrüßt die absolute Mehrheit für die Christdemokratin: "Diese Wahl sendet die einzig richtige Botschaft an die EU-Bürger, aber auch an die Welt: Die Demokraten stehen stark und geeint gegen die destruktiven, antieuropäischen Kräfte und Freunde von Autokraten."
Das STRAUBINGER TAGBLATT ist erleichtert: "Diese Abstimmung war nicht der Moment, um destruktive Anti-Politik zu betreiben oder trotzige Nischenforderungen zu stellen. An diesem Donnerstag ging es um das große Ganze. 401 Europaabgeordnete haben das zum Glück verstanden. Es war im Interesse von Europas Bürgern."
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG findet: "Die Wiederwahl Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin ist nicht nur ein 'Weiter so'. Sie kündet von einem neuen Bewusstsein Europas für das eigene Gewicht in der Welt."
Auch die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg sieht Europas internationale Position durch von der Leyens Wiederwahl gestärkt: "Es war der einstige US-Außenminister Henry Kissinger, der das Dilemma des organisierten Europas auf den Punkt brachte: Welche Nummer muss man anrufen, um zu erfahren, was Europa will? Seit gestern ist klar: Auch die nächsten fünf Jahre wird es die Nummer der Deutschen Ursula von der Leyen sein. In Sachen Stabilität und Verlässlichkeit ist das eine gute Nachricht."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG merkt an: "Im Vielvölkerparlament der EU, wo es keine starke Fraktionsdisziplin gibt, hat von der Leyen es geschafft, eine solide Mehrheit hinter sich zu versammeln. Ihr Ergebnis ist allerdings ein Hinweis darauf, dass ihre Kernkoalition aus Europäischer Volkspartei, Sozialdemokraten und Liberalen nicht ganz geschlossen zu ihr steht. Das wird sich in der neuen Legislaturperiode bemerkbar machen", glaubt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Dass die EU-Kommissionspräsidentin vor der Wahl auch die italienische Rechte umwarb, ist für die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg kein Problem: "Um eine Mehrheit abzusichern, hat von der Leyen vielen viel versprochen. Dass dazu auch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gehörte, ist kein Sündenfall, wenn es gelingt, die Regierungschefin der drittgrößten EU-Volkswirtschaft konstruktiv einzubinden."
"Selbstverständlich ist die Wiederwahl von Ursula von der Leyen an die Spitze der EU-Kommission nicht gewesen", wirft die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Wuppertal ein. "In den vergangenen Wochen hagelte es immer wieder Kritik an der deutschen Christdemokratin. Vor diesem Hintergrund sind 56 Prozent bemerkenswert. Zur Wahrheit gehört, dass es keine ernsthafte Alternative zu der Frau aus Deutschland gab. Bei aller teils überraschenden Anpassungsfähigkeit, etwa im Aufweichen des Verbrennerverbots, ist die Christdemokratin eine überzeugte und überzeugende Europäerin. Sie steht damit in der Tradition von Parteifreunden wie Helmut Kohl und Angela Merkel", findet die WESTDEUTSCHE ZEITUNG.
"Die reibungslose Wiederwahl von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist eine gute Nachricht. Offensichtlich haben die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker im Europaparlament erkannt, dass die Europäische Union in Zeiten von inneren und äußeren Feinden keine Zeit zu verschenken hat", betont die FRANKFURTER RUNDSCHAU, um dann aber anzumerken: "Weniger erfreulich ist, dass Ursula von der Leyen inhaltlich viel zu viel schuldig blieb. Sie hat zwar die entscheidenden Punkte wie Sicherheitspolitik, Klimaschutz, Migration und die Hilfe für die überfallene Ukraine genannt. Doch blieb sie in fast allen Fällen viel zu wolkig, skizzierte zu wenig mögliche Lösungen."
"Die Rücknahme des Verbrenner-Aus, leichtere Bahnreisen, ein EU-Kommissar für Wohnen, einer für die Verteidigungsindustrie, weniger Bürokratie und der Kampf gegen illegale Migration finden sich darin. Es ist ein Wünsch-dir-was, das viele anlocken sollte", hält auch die SÜDWEST PRESSE aus Ulm fest: "Ob diese Ziele umgesetzt werden, wird auch davon abhängen, wer in der neuen EU-Kommission sitzen wird. Darüber werden noch viele Monate vergehen. Doch mit der Wahl von der Leyens hat Europa immerhin sichergestellt, dass es bis dahin nicht führungslos ist."
Die BERLINER MORGENPOST zeigt sich von der wiedergewählten Kommissionspräsidentin nicht begeistert, aber beeindruckt: "Von der Leyen musste in einem gewagten Spagat einerseits die Grünen ins Boot holen und andererseits Stimmen von Giorgia Melonis Rechtspopulisten sichern, ohne mit ihnen ein Bündnis einzugehen. Machtpolitisch ist das eine beachtliche Leistung, die allerdings ohne die Vernunft der Abgeordneten-Mehrheit nicht möglich gewesen wäre: Vorbehalte gegen die allzu selbstbewusste Präsidentin gab es reichlich, aber genügend Abgeordnete folgten am Ende, teils zähneknirschend, der Einsicht, dass die Alternative nicht attraktiver war: Wäre von der Leyen gescheitert, hätte die EU vor Monaten quälender Personaldebatten gestanden", ist die BERLINER MORGENPOST sicher.
Kritisch äußert sich auch die VOLKSSTIMME aus Magdeburg zur bestätigten EU-Chefin: "In den ersten 100 Tagen nach Amtsübernahme will von der Leyen eine Strategie für eine saubere europäische Industrie vorlegen. Eine Ankündigung wie aus dem Lehrbuch der hohlen EU-Versprechen. Überhaupt klingt vieles von dem, was von der Leyen verkauft hat, nach Wunschzettel und nicht nach To-do-Liste. Sie will etwa erschwinglichen Wohnraum schaffen, den Bauern ein gutes Einkommen sichern und die Migration steuern, na klar. Die Meisterin der großen Töne ist sofort in eigene Sphären entschwunden. Und in der EU bleibt alles beim Alten", fürchtet die VOLKSSTIMME.
In den USA mehren sich die Stimmen von Vertretern der Demokratischen Partei, die Amtsinhaber Biden zu einem Verzicht auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur raten. Die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN haben Verständnis dafür: "Wenn er seine eigene Partei nicht komplett zerlegen will, muss der US-Präsident seine Kandidatur für das höchste Amt der USA schleunigst zurückziehen. Sonst werden die Demokraten Anfang November eine krachende Niederlage erleben, von der sie sich lange nicht erholen werden. Spätestens seit dem gescheiterten Attentat auf seinen Herausforderer Donald Trump dämmert selbst den treuesten der treuen Biden-Fans und vor allem seinen Geldgebern, was die Stunde geschlagen hat. Und prompt lieferte der an Corona erkrankte 81-Jährige auf dem Flughafen von Las Vegas einmal mehr die fatalen Bilder, die ihn als tattrigen Staatschef zeigen. Und nicht als quirligen Wahlkämpfer, der noch weitere vier Jahre für den äußerst stressigen Regierungsjob im Tank hat", konstatieren die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe.
"Biden ist für die Demokraten eine Last", stimmt die TAZ zu und ergänzt im Hinblick auf die Nominierung von J. D. Vance als Vize von Donald Trump bei den Republikanern: "Jetzt hat Vizepräsidentin Kamala Harris ein Problem. In den identitätspolitisch aufgeladenen USA tritt nun mit Vance ein Kind der verarmten Industrieregionen mit authentischer Aufstiegsgeschichte gegen eine Frau aus 'gutem Hause' an,die sich für Sozialpolitik eher wenig interessiert. Den Vorwurf, dass die Demokraten ihre ehemalige Kernklientel vernachlässigt haben, werden die Republikaner jetzt noch genüsslicher vortragen können. Vances Nominierung war in jeglicher Hinsicht ein schlauer Schachzug. Ja, Vance war früher ein erbitterter Gegner von Trump. Aber in einem Land, das empfänglich für archaische Erzählungen ist, passt das nur zu gut: Vance ist der Bekehrte, der nun umso loyaler zum Anführer steht. Trump kann jetzt den eher versöhnlichen Präsidentschaftskandidaten geben und seinem Vize die Rolle des jungen Radikalen überlassen." Mit dieser Stimme der TAZ endet die Presseschau.