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to top Wohnungslosenhilfe München - kein Anschluss unter dieser Nummer?
20. April 2015

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Mit Schreiben des Datenschutzbeauftragten und zugleich Leiters der Rechtsabteilung der Landeshauptstadt München vom 4. März 2015 wurde unser Verein aufgefordert, "aus Fürsorgegründen der LHM gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Telefonliste der ZEW umgehend von der Internetseite des IGEL e.V. zu entfernen."

Gemeint war die derzeit immerhin einzige Möglichkeit, die Sachbearbeiter der Zentralen Wohnungslosenhilfe telefonisch direkt zu erreichen, also die des für Münchner Obdachlose einzig zuständigen Zusammenschlusses von Wohnungsamt und Jobcenter. Einer Behörde, die in sozialen Fachkreisen und selbst bei mit ihr kooperierenden Sozialbürgerhäusern zu recht als unerreichbar gilt. Zu den telefonischen Sprechzeiten der ZEW am Nachmittag ist auf deren zentralen Rufnummer eine Ansage zu hören, dass man gerade ausserhalb der telefonischen Sprechzeit anriefe. Eine Möglichkeit, eine Nachricht zu hinterlassen oder um Rückruf zu bitten, gab es nie. Die hätte auch selten was genutzt, denn den derzeit rund 3.000 registrierten Münchner Obdachlosen stehen gerade mal zwanzig, mittlerweile bereits aufgestockte Leistungssachbearbeiter der ZEW gegenüber.

Mehr als ein Grund also, sich von den lästigen, Arbeit verursachenden und zeitraubenden Antragstellern so weit wie möglich abzuschotten. Viele Obdachlose bleiben dabei auf der Strecke, der Rest versucht, durch persönliche Vorsprache einen Termin zur persönlichen Vorsprache zu vereinbaren. Direkt zusammenarbeitende Behörden und Sozialstellen verfügen entweder über ein Durchwahlverzeichnis aller Nebenstellen der Sachbearbeiter_innen, oder hoffen darauf, dass das nur für den Dienstgebrauch herausgegebene städtische Telefonbuch dem ständigen Personalwechsel in der ZEW in seiner Aktualität stand hält. Grund genug für IGEL e.V., diese Abschottungspolitik zu durchbrechen und das interne Durchwahlverzeichnis bereits im Jahr 2013 zu veröffentlichen, wohl wissend, dass auch dies schnell an Aktualität verlieren werde. Dennoch verzeichnete es noch vor seiner Aktualisierung auf dem IGEL-Server im Januar 2.386 Anfragen. Ein Bedarf schien gedeckt.

Dass nunmehr gerade der für den Datenschutz zuständige Leiter der Rechtsabteilung der LH München eben keinen Leitfaden für Informationsfreiheitsanträge auf Herausgabe aktueller Jobcenter Telefonlisten schreibt, sondern nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung haltlose Abmahnungen und Löschungsaufforderungen hinsichtlich der auf diesen Seiten verbreiteten Telefonliste verschickt, folgt einer bundesweiten Tradition der Jobcenterabschottung. Bereits im Januar 2014 hatte Harald Thomé die bis dahin auf seinen Internetseiten veröffentlichten Telefonlisten aus dem Netz genommen. In seiner Ausstiegserklärung schrieb er nach einem Jahr zahlreicher persönlicher Angriffe und Unterlassungsklagen: "Bei diesem Bedrohungsszenario gerät der Konflikt aus den Fugen. Diese unverhältnismäßigen Folgen haben mich dazu bewogen, die Veröffentlichungen einzustellen. Hier werden meine Familie und ich unmittelbar in unserer Existenz bedroht." und: "Die Bilanz des Behördenhandelns ist erschreckend." Auch die dann übernehmende Piratenpartei hat die Veröffentlichung von über 120 bundesweiten Jobcenter Telefonlisten derzeit eingestellt. "Die Telefonlisten sind vorübergehend entfernt, da wir einen juristischen Sachverhalt klären müssen", heisst es seit einigen Monaten auf ihrem Piraten-Wiki.

Einen Mittelweg versucht IGEL e.V. zu gehen, indem wir die Namen der Sachbearbeiter, mithin die einzigen persönlichen Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes, aus den Telefonlisten entfernt haben und zudem nur die dienstlichen Daten behördlicher Mitarbeiter mit Aussenkontakt (Parteiverkehr) veröffentlichen. Damit ist jedenfalls der persönliche Schutzbereich des Bundesdatenschutzgesetzes nicht betroffen, auch wenn dies zu einer gewissen Unhöflichkeit auf Seiten der Antragsteller führen kann, da sie ihre Sachbearbeiter nun nicht mehr persönlich mit Namen ansprechen können. Zumindest wissen sie aber, welcher Sachbearbeiter für ihren Buchstabenberich zuständig ist und wie sie diesen telefonisch sprechen oder wo sie ihn persönlich antreffen können.

Telefonliste der Zentralen Wohnunglosenhilfe (Jobcenter München) - 2015

Für diesen Weg hat sich IGEL e.V. nicht nur nach eingehender juristscher Prüfung der derzeitigen Rechtsprechung entschlossen, sondern auch nach eingehender Beratung, inwieweit tatsächlich persönliche schützenswerte Interessen der Mitarbeiter der LHM zu berücksichtigen sind. Urteile zahlreicher deutscher Verwaltungsgerichte, die die Veröffentlichung behördlicher Telefonlisten in der durch IGEL e.V. gewählten Form eindeutig billigen, können deshalb auch unserem Antwortbrief auf die Abmahnung des Datenschutzbeauftragten der LHM vom 20. April 2015 entnommen werden.

Übrigens ist die telefonische Erreichbarkeit in den Jobcentern laut einer Mitteilung des Pressereferates vom 5. März 2014 aus Sicht der Bundesregierung gewährleistet.