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'Wer betrügt, der fliegt' - Die Folgen der Freizügigkeitsdebatte | 23. April 2014 |
Speichern: [mp3 - 16.1 MB] -- Medien: Audiocast - UID: 20140423
'Wer betrügt, der fliegt!' - mit diesem Motto hatte die CSU im Wahlkampf Öl ins Feuer der Debatte um osteuropäische Migranten gegossen. In einem Beitrag des Bayerischen Rundfunks im Rahmen des 'Dossier Politik' hatte die Initiative Zivilcourage in Zusammenarbeit mit IGEL München Gelegenheit, die sozialpolitischen Hintergründe der von der CSU vereinnahmten Stammtischparole zu beleuchten. Die Lebenswirklichkeit von Einwander_innen aus Rumänien und Bulgarien ist eine ganz andere: Auch wer nicht betrügt und arbeitet, fliegt gegen die Wehrmauer der Münchner Sozialbehörden:
Der 35jährige bulgarische Familienvater Anton hat mit seinen beiden Kindern und seiner schwangeren Frau obdachlos im Auto gelebt und ging in dieser Situation dennoch einer regelmäßigen sozialversicherungspflichtigen Arbeit nach. Obwohl er damit die rechtlichen Voraussetzungen erüllt, um als bulgarischer EU-Bürger aufstockende Leistungen des Jobcenters und damit auch ein Dach über dem Kopf zu haben, weigerte sich das Münchner Wohnungsamt, seine Familie samt seiner hochschwangeren Frau in einer Obdachlosenunterkunft der Landeshauptstadt aufzunehmen.
Erst nach der Frühgeburt des Babys im siebten Schwangerschaftsmonat, aufgrund des deshalb entstandenen Herzfehlers des Säuglings und nach einem sich anschliessenden Verfahren vor dem Münchner Verwaltungsgericht erkannte selbst der Leiter des Münchner Wohnungsamtes, Rudolf Stummvoll, an, dass auch rumänische und bulgarische EU-Bürger ein Recht darauf haben, ihre Kinder nicht auf der Straße zu gebären.
Der Migrationsforscher und emeritierte Professor Klaus Jürgen Bade zieht hinsichtlich der Obdachlosenpolitik des Münchner Wohnungsamtes Vergleiche mit dem Sozialstaatsprinzip längst vergangener Zeiten: 'Was ich hier über München gehört habe, erinnert mich an den Unterstützungswohnsitz aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Damals hatte man als 'Nichtbürger' auch keinen Anspruch auf soziale Hilfeleistung. Man konnte in das Notasyl eingewiesen werden, aber ansonsten hatte man die Stadt so schnell wie möglich wieder zu verlassen und dahin zu gehen, wo man her kam. Das sollten wir eigentlich hinter uns gelassen haben.'