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'Wir wollen Wohnen' - Kundgebung | 01. March 2016 |
Speichern: [mp3 - 1.3 MB] -- Medien: Audiocast - UID: 20160302
Prekarisierte Arbeiter_innen überwiegend bulgarischer Herkunft haben gestern die gleichen Rechte für den Zugang zu den Notunterkünften der Stadt München eingefordert, wie sie auch für deutsche Obdachlose gelten. Denn während Münchner mit deutschem Pass im Falle des Wohnungsverlustes meist raschen und dauerhaften Zugang zu den Obdachlosenunterkünften der Landeshauptstadt finden, werden EU-Bürger_innen aus den Nachbarländern vermehrt Steine durch das Amt für Wohnen und Migration in den Weg gelegt.
Die im Wohnungsamt am 1. September 2015 in Kraft getretene Dienstanweisung 'Sofortunterbringung bei Obdachlosigkeit' hält jedenfalls für Menschen aus den EU-Nachbarländern bei Weitem nicht, was ihr Titel verspricht. Während Deutsche weiterhin bei unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit' (bspw. Kältetod) ein Obdach finden dürfen, sollen EU-Bürger laut der Dienstanweisung zusätzlich nachweisen, Hartz-IV zu beziehen, um dauerhaft untergebracht zu werden. Hintergrund ist, dass in diesem Fall der Bund für einen Großteil der Kosten der Unterkunft aufkommt. So finanzpolitisch motiviert diese kommunale Forderung sein mag, so rechtswidrig ist sie zugleich.
Gerade einmal sieben Wochen vor dem Inkrafttreten wurde die in der Dienstanweisung verwaltungsintern ratifizierte 'Ungleichbehandlung nach Aufenthaltsstatus' in einem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes Bayern vom 7. Juli 2015 durch die Richterschaft eindeutig ausgeschlossen. Beklagte war auch hier die Landeshauptstadt München in Gestalt des Amtes für Wohnen und Migration als Antragsgegnerin:
"Dem grundsätzlichen Einwand der Antragsgegnerin, das Unterbringungsbegehren der Antragsteller sei mangels einer gesicherten aufenthaltsrechtlichen Position rechtsmissbräuchlich, kann nicht gefolgt werden. Die in der Obdachlosigkeit liegende Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entfällt nicht dadurch, dass der Betroffene sich (möglicherweise) in anderer Hinsicht rechtswidrig verhält. Es ist auch nicht Aufgabe der allgemeinen Sicherheitsbehörde, etwaige Ausreiseverpflichtungen, zu denen bisher nicht einmal entsprechende (vollziehbare) ausländerrechtliche Bescheide vorliegen, durch Vorenthaltung einer menschenwürdigen Unterkunft faktisch durchzusetzen." - [Verwaltungsgerichtshof Bayern - Beschluss des 4. Senats vom 7. Juli 2015, 4 CE 15.1275, Rz. 4 und 4 CE 15.1421]
Gleichwohl werden EU-Bürger_innen durch das Münchner Wohnungsamt einer intensiven ausländerrechtlichen Prüfung ihres Aufenthaltsstatus unterzogen (Rz. 1.4 und 1.5 der DA vom 1. September 2015). Politische Flüchtlinge im Asylverfahren sind aufgrund der Subsidiarität des Asylbewerberleistungsgesetzes von der Obdachlosenunterbringung laut Dienstanweisung ohnehin ausgeschlossen.
Die Interessengemeinschaft der Erwerbslosen sieht wegen der Überschreitung der ausländerrechtlichen Kompetenzen und der offensichtlich rechtsmißbräuchlichen Dienstanweisung einer anstehenden verwaltungsgerichtlichen Prüfung mit Gelassenheit entgegen.
Kampagnen-Bündnis 'Wir wollen Wohnen'
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Presseberichte:
Bayerischer Rundfunk (Julia Binder) -
Süddeutsche Zeitung (Inga Rahmsdorf) -
Waffen der Kritik (Marius Maier)